You are currently viewing Die Bewertung von Booten und Yachten – Herausforderungen und Methodiken

Ähnlich wie bei Autos oder Immobilien kommt es auch bei Boote und Yachten regelmäßig zum Bedarf einer Bewertung – sei es zu eher informativen Zwecken (etwa im Zuge eines Kaufs oder Verkaufs), oder weil gar eine zwingende Notwendigkeit besteht (wie im Falle von Versicherungs- oder Erbschaftsangelegenheiten).

Und genauso individuell wie die Gründe für den Besitz einer Yacht, so individuell und teilweise kompliziert ist auch ihre Bewertung. In diesem Artikel werde ich die verschiedenen Anlassfälle für eine Yachtbewertung beleuchten, spezifische Herausforderungen herausarbeiten, die Faktoren, die den Wert einer Yacht beeinflussen und geeignete Methodiken für eine Bewertung vorstellen.

Inhaltsverzeichnis

 

Anlassfälle für die Bewertung von Booten und Yachten

Wie bereits Eingangs erwähnt, können die Gründe für die Bewertung von Booten und Yachten unterschiedlicher Natur sein.  Typische Anlassfälle sind:

Der Kauf oder Verkauf: Erhebung eines fairen Marktwertes zur Orientierung von Verkäufer und Käufer.

Erbschaft: Im Falle einer Erbschaft muss der Wert der Yacht für die Nachlassregelung oder die Erbschaftssteuer bestimmt werden.

Versicherung: Versicherungen benötigen unter Umständen eine Bewertung, um die Versicherungssumme festzulegen oder einen Schaden zu regulieren.

Finanzierung: Banken verlangen oftmals eine Wertermittlung als Basis für Kreditvergaben.

Rechtliche Streitigkeiten: Auch bei Scheidungen oder sonstigen rechtlichen Auseinandersetzungen kann eine Yachtbewertung notwendig sein.

Spezifische Herausforderungen bei der Bewertung

Die Bewertung von Booten und Yachten bringt einige spezifische Herausforderungen mit sich, welche den Prozess weitaus komplexer und schwieriger machen, als vergleichsweise die Bewertung von Autos.

Denn während für Autos umfangreiche statistische Marktdaten sowie elektronische Bewertungssysteme zur Verfügung stehen, herrscht bei Booten und Yachten weitaus weniger Transparenz, was die realen Marktbedingungen angeht.

Dies ist unter anderem darin begründet, dass auf dem Markt für gebrauchte Boote weitaus weniger Transaktionen stattfinden, welche eine zuverlässige statistische Auswertung bezogen auf die Verkaufspreise erlauben. Und je größer und teurer eine Yacht ist, um so dünner wird die Luft was Vergleichsdaten betrifft. Dies reicht bis hin zu sogenannten „One-Off Bauten“ (also individuellen Werftbauten, welche komplett auf die Bedürfnisse des Eigners zugeschnitten wurden), bei denen es de facto überhaupt keine Vergleichsdaten gibt, die 1:1 umgelegt werden könnten.

Eine weitere Herausforderung besteht in der Betrachtung des relevanten Marktes – denn während die Bewertung von Autos oder Immobilien in der Regel auf regionale Marktverhältnisse begrenzt ist, so müssen bei Booten und Yachten oftmals auch internationale Trends und Tendenzen berücksichtigt werden, zumal insbesondere bei größeren Yachten Käufe und Verkäufe über den halben Globus hinweg keine Seltenheit sind.

Faktoren, die den Wert einer Yacht beeinflussen

Der Wert einer Yacht kann durch zahlreiche Faktoren beeinflusst werden:

Alter und Zustand: Wie bei fast allen Fahrzeugen ist das Alter ein entscheidender Faktor. Allerdings spielt der Zustand bei Yachten, die gut gepflegt oft Generationen überdauern können, eine größere Rolle.

Hersteller und Modell: Gewisse Hersteller und Modelle haben einen Ruf, der ihren Wert steigert.

Marktsituation: Angebot und Nachfrage beeinflussen den Preis. Wobei die Situation – je nach Marktsegment – sehr unterschiedlich sein kann.

Ausstattung und Materialien: Hochwertige Zusatzausstattungen spiegeln sich im Wert genau so wieder, wie die verwendeten Materialien und deren Verarbeitung

Wartungshistorie: Eine lückenlose Wartungshistorie kann den Wert mitunter erheblich beeinflussen, da sie zukünftigen Erhaltungsaufwand abschätzen lässt.

Liegeplatz: In Einzelfällen werden Yachten mitunter auch zusammen mit dem Liegeplatz vermarktet, was den Wert natürlich ebenfalls sehr stark beeinflussen kann.

Typischer Wertverlust bei Booten und Yachten

Der Wertverlust einer Yacht kann stark variieren, aber es gibt gewisse Erfahrungswerte und Faustformeln, die eine erste grobe Einschätzung ermöglichen: neue Yachten verlieren in der Regel in den ersten Jahren schnell an Wert, oft wird ein mittlerer Wertverlust von etwa 12 bis 16 Prozent im ersten Jahr und circa je 6-10 Prozent in den folgenden Jahren angenommen – wobei bereits hier nach Art und Grösse der Yacht zu unterscheiden ist (siehe auch Tabellen weiter unten).

Nach etwa 10 Jahren verlangsamt sich der Wertverlust schließlich deutlich, und der Wert stabilisiert sich, vorausgesetzt, die Yacht wird gut gewartet und gepflegt.

Tabelle 1*: Wertverlust von Yachten nach Größe

Länge
über alles
1 Jahr3 Jahre7 Jahre
30-40 Fuss19%28%45%
51-50 Fuss9%21%47%
51-60 Fuss15%33%45%

Tabelle 2*: Relativer Wert von Yachten nach Type

Type3 Jahre5 Jahre10 Jahre
Sportboote/Bowrider66%57%34%
Kabinenboote (Motor)65%51%40%
Segelboote/-yachten**91%85%73%

*) Datenlage 2021
**) Auffallende Werthaltigkeit im Zuge des „Covid Effektes“ bei Gebrauchtyachten
ACHTUNG: Historische Daten ohne Gewähr für die aktuelle Gültigkeit!

Methodiken zur Bewertung von Booten und Yachten

Je nachdem, welcher Anlassfall für die Bewertung besteht bzw. welche individuellen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen sind, stehen unterschiedliche Methodiken zur Verfügung, um den Wert einer Yacht zu ermitteln. Die am häufigsten angewendeten Verfahren sind:

Das Vergleichswertverfahren: Hier werden vergleichbare Yachten und deren Verkaufspreise herangezogen.

Das Ertragswertverfahren: Dieses Verfahren wird mitunter dann angewendet, wenn die Yacht kommerziell zur Erzielung von Einnahmen genutzt wird, zum Beispiel bei Charter-Yachten.

Das Verwertungsverfahren: Ist eine Yacht nicht mehr seetüchtig bzw. nur mehr mit übermäßig hohem Aufwand in in einen seetüchtigen Zustand zu bringen, so ergibt sich ihr Wert aus der Summe verwertbarer Einzelkomponenten abzüglich etwaiger Entsorgungskosten (Restwertbetrachtung).

Auch eine gewichtete Mischkalkulation aus einer Kombination der genannten Bewertungsmodelle kann im Einzelfall Sinn machen, um eine realistische Einschätzung zu erhalten.

Ablauf einer Yachtbewertung

Begutachtung und Sea Trial

Zentraler Bestandteil jeder Yachtbewertung ist eine eingehende Begutachtung vor Ort. Hier wird vom Zustand des Unterwasserschiffs bis hin zur Funktionalität der wichtigsten Bordsysteme alles inspiziert, was nennenswerten Einfluss auf den Wert hat. Nach Möglichkeit wird ausserdem ein Sea Trial durchgeführt, um Motoren und Antriebsstrang zu überprüfen.

Wertgutachten für eine Motoryacht in Kroatien

Minderwertkalkulation

Werden im Zuge der Begutachtung signifikante Mängel festgestellt, so müssen diese im Hinblick auf ihre Wertbeeinträchtigung taxiert werden. Dazu werden zunächst die zu erwartenden Reparaturkosten ermittelt und anschließend deren Abschlagsfaktor festgelegt. Dabei gilt: je stärker sich ein Mangel auf die Seetüchtigkeit auswirkt bzw. je relevanter das betroffene System für die Bewertung ist, um so höher sind die anteiligen Minderwerte anzusetzen. Wobei regelmäßig auch zu klären ist, welchen Zustand ein Käufer in Abhängigkeit des Alters und dem Zustand vergleichbarer Yachten auf dem Markt erwartet, um realistische Abschlagsfaktoren in Ansatz zu bringen.

DIe Martkanalyse

Sind alle bewertungsrelevanten Faktoren erfasst, geht es an die Analyse der aktuellen Marktbedingungen. Diese reicht von der Internet-Recherche auf einschlägigen Verkaufsportalen, über die Befragung von Brokern, bis hin zu eigenen Marktbeobachtungen und stellt hohe Anforderungen an die Erfahrung des Gutachters.

Denn aktuell veröffentlichte Verkaufspreise bilden zunächst einmal lediglich die Vorstellungen der Verkäufer ab und sind nicht selten weit von den tatsächlich erzielbaren Preisen entfernt. Und gerade in wirtschaftlich volatileren Zeiten muss der Gutachter auch ein Gespür für aktuelle Trends und mittelfristige Markttendenzen einbringen, um einen akkuraten Wert zu ermitteln. Mittelfristig deshalb, da ja auch gewöhnliche Standzeiten in die wertmäßigen Betrachtungen mit einfließen.

Zu diesem Zweck erheben wir zum Beispiel regelmäßig auch die Entwicklung der Verkaufsbestände in unseren Heimatmärkten – denn grundsätzlich gilt natürlich auch bei Booten und Yachten: je höher das Angebot, um so mehr geraten auch die Preise unter Druck.

Entwicklung auf dem Gebrauchtbootmarkt 2023
*) Entwicklung der Verkaufslistungen in Kroatien und Italien (Quelle: eigene Marktbeobachtungen)

Das Wertgutachten

Den Abschluss des Bewertungsprozederes bildet schließlich das Verfassen des Wertgutachtens, in welchem sowohl der Zustand des Bootes oder der Yacht sowie alle bewertungsrelevanten Faktoren umfassend und nachvollziehbar dokumentiert werden. Ebenso werden allfällige aussergewöhnliche Einflüsse detailliert beschrieben und deren wertmäßige Berücksichtigung begründet.

Häufige Fragen zur Bewertung von Booten und Yachten

Wer kann mir bei der Bewertung meiner Yacht helfen?

Antwort: Grundsätzlich unterliegt die Bewertung von Yachten keinen spezifischen Regelungen und kann daher von jeder sachkundigen Person oder Organisation durchgeführt werden. Beispielhaft erwähnt seien hier erfahrene Broker oder Yachtgutachter. Lediglich in Erbschafts-, Rechts- oder Steuerangelegenheiten wird in der Regel die Bewertung durch einen zertifizierten oder gerichtlich beeideten Sachverständigen verlangt. In ihrem eigenen Interesse sollten sie aber stets nach Referenzen und entsprechenden Qualifikationsnachweisen fragen, bevor sie ein Wertgutachten in Auftrag geben.

Ist zur Bewertung eines Bootes oder einer Yacht eine Begutachtung erforderlich?

Antwort: Ja, die Begutachtung vor Ort ist ein wesentlicher Bestandteil jeder Yachtbewertung und daher unabdingbar. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle bewertungsrelevanten Faktoren korrekt erhoben und im Gutachten berücksichtigt werden. 

Was kostet ein Wertgutachten für ein Boot oder eine Yacht?

Antwort: Die Kosten für die Bewertung eines Bootes oder einer Yacht hängen in erster Linie von der Größe und dem Ausstattungsumfang ab. Darüber hinaus spielen auch Type und Marktgängigkeit sowie etwaige Reiseaufwendungen eine Rolle. Als grober Richtwert können jedoch Kosten in Höhe von ca. 14 bis 18 Euro pro Fuss angesetzt werden.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich an Hand der obigen Betrachtungen sagen, dass die Bewertung von Yachten eine komplexe Angelegenheit ist, die von zahlreichen Faktoren abhängt und umfassende  Expertise erfordert.

Sollten sie selbst an einer Bewertung interessiert sein, so ist es ratsam, den Zweck und die Rahmenbedingungen bereits im Vorfeld mit einem sachkundigen Fachmann oder Yachtgutachter ihrer Wahl eingehend zu besprechen und die Vorgangsweise abzustimmen.

Und zu guter Letzt: seien sie vorsichtig mit  verlockenden Angeboten wie Fernbewertungen. Diese können zwar bei kleineren, seriengefertigten Booten bis ca. 8 Metern Länge eine gewisse Orientierungshilfe in der Wertfindung sein, stossen aber gewiss an ihre Grenzen, wenn es um größere Yachten geht.